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Mehr InformationenEgo-Depletion
Ego-Depletion: Selbstkontrolle als begrenzte Ressource im Führungsalltag
Das Konzept der Ego-Depletion wurde 1998 von Roy F. Baumeister und seinem Team an der Florida State University empirisch entwickelt. Es beschreibt das Phänomen, dass willentliche Selbstkontrolle nicht unbegrenzt verfügbar ist. Vielmehr handelt es sich um eine psychologische Ressource, die durch intensive Beanspruchung temporär erschöpft werden kann. Vergleichbar mit einem Muskel, der durch wiederholte Anspannung ermüdet, lässt auch die Fähigkeit zur Selbstregulation nach, wenn sie über längere Zeit aktiv beansprucht wird.
Zu den typischen Anzeichen einer solchen Erschöpfung zählen Entscheidungsmüdigkeit, erhöhte Reizbarkeit, ein Absinken der Selbstdisziplin sowie eine verringerte kreative und analytische Problemlösefähigkeit. In zahlreichen experimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass Personen nach Phasen intensiver Selbstkontrolle in nachfolgenden Aufgaben deutlich schlechter abschnitten. Auch wenn neuere Forschungsarbeiten diskutieren, wie stabil und verallgemeinerbar dieser Effekt ist, bleibt die zentrale Aussage plausibel und praxisrelevant. Selbststeuerung kostet Energie, und diese Energie ist nicht beliebig verfügbar.
Im Führungsalltag ist Ego-Depletion ein unsichtbarer, aber wirksamer Faktor.
Ein Beispiel:
Eine Führungskraft navigiert durch einen Tag, der von operativer Kontrolle, konflikthaften Abstimmungen und latent politisierten Mails geprägt ist. Am späten Nachmittag steht eine Entscheidung mit hoher Tragweite an. Obwohl sie um die Komplexität des Falls weiß, greift sie zu einer schnellen, vereinfachten Lösung. Nicht aus Nachlässigkeit oder mangelnder Kompetenz, sondern aus Erschöpfung der kognitiven und emotionalen Regulation.
Die zentrale Führungsaufgabe besteht nicht nur im Treffen kluger Entscheidungen, sondern auch im Schutz der eigenen Entscheidungsfähigkeit. Wer verantwortungsvoll führt, achtet nicht nur auf äußere Effizienz, sondern auch auf das eigene mentale Gleichgewicht. Strategien wie bewusste Pausen, Priorisierung, Delegation, Routinen oder die Platzierung leichter Termine nach belastungsintensiven Phasen können helfen, das vorhandene Entscheidungskapital gezielt einzusetzen und zu erhalten.
Quelle
Baumeister, R. F., Bratslavsky, E., Muraven, M., & Tice, D. M. (1998). Ego depletion: Is the active self a limited resource? Journal of Personality and Social Psychology, 74(5), 1252-1265.