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Mehr InformationenKognitive Dissonanz
Kognitive Dissonanz: Innere Widersprüche als Ausgangspunkt für Veränderung
Die Theorie der kognitiven Dissonanz, begründet von Leon Festinger (1957), beschreibt einen psychologischen Spannungszustand, der entsteht, wenn Menschen widersprüchliche Überzeugungen, Einstellungen oder Handlungen erleben. Da Menschen nach kognitiver Konsistenz streben, empfinden sie solche Widersprüche als unangenehm und sind motiviert, diese Spannung zu reduzieren.
Die Strategien zur Reduktion von Dissonanz sind vielfältig. Häufig werden widersprüchliche Informationen abgewertet oder abgelehnt. Alternativ kann die eigene Handlung umgedeutet werden, etwa durch Verharmlosung oder Rationalisierung. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die eigene Einstellung so zu verändern, dass sie wieder zum Verhalten passt. Diese Mechanismen erklären, warum Menschen an Entscheidungen festhalten, selbst wenn neue Informationen Zweifel aufwerfen, und warum Veränderungsprozesse häufig auf inneren Widerstand treffen, obwohl sie sachlich nachvollziehbar erscheinen.
Ein Beispiel aus dem Führungsalltag verdeutlicht diese Dynamik: Ein Teamleiter tritt nach außen als Befürworter agiler Prinzipien auf. Er spricht von Selbstorganisation, flachen Hierarchien und Verantwortung. Im Alltag verlangt er jedoch detaillierte Berichte, tägliche Statusmeldungen und trifft zentrale Entscheidungen selbst. Das Team nimmt diesen Widerspruch wahr, und auch der Teamleiter selbst beginnt, Irritation zu spüren. Die kognitive Dissonanz entsteht aus dem Auseinanderfallen von Selbstbild und Handlungspraxis.
Zur Reduktion dieser Spannung stehen ihm verschiedene Wege offen. Er könnte sein Verhalten reflektieren und anpassen, etwa durch gezielte Delegation und eine klare Rollenklärung. Alternativ könnte er sein Kontrollverhalten als notwendigen Beitrag zur Qualitätssicherung interpretieren und dadurch die Diskrepanz innerlich auflösen, ohne die Praxis zu verändern.
Für Führungskräfte ist die bewusste Auseinandersetzung mit Dissonanz ein bedeutsamer Reflexionsanlass. Denn nicht jede Spannung ist Ausdruck eines Fehlers. Oft signalisiert sie eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit und eröffnet die Chance, das eigene Handeln neu auszurichten.
Quelle:
Festinger, L. (1957). A Theory of Cognitive Dissonance. Stanford, CA: Stanford University Press.