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Mehr InformationenParadox Theory
Paradox Theory: Widersprüche als Gestaltungsräume in Organisationen
Die Paradox Theory, entwickelt von Wendy K. Smith und Marianne W. Lewis (2011), befasst sich mit der Frage, wie Organisationen und Führungskräfte produktiv mit widersprüchlichen Anforderungen umgehen können. Im Zentrum steht die Erkenntnis, dass viele dieser Widersprüche nicht temporär oder lösbar sind, sondern als dauerhafte Spannungsfelder bestehen bleiben. Sie erfordern daher keine Entscheidung im Sinne eines Entweder-oder, sondern eine kontinuierliche Auseinandersetzung im Sinne eines Sowohl-als-auch.
Typische organisationale Paradoxe zeigen sich etwa im Spannungsverhältnis zwischen Stabilität und Wandel, zwischen Kontrolle und Autonomie, zwischen Effizienz und Innovation oder zwischen individueller Entfaltung und kollektiver Zugehörigkeit. Diese Spannungen lassen sich nicht durch einfache Priorisierungen auflösen. Vielmehr liegt die Herausforderung darin, sie sichtbar zu machen, aktiv zu moderieren und dauerhaft auszubalancieren.
Smith und Lewis argumentieren, dass die Fähigkeit, mit paradoxen Anforderungen umzugehen, entscheidend zur Resilienz und Innovationsfähigkeit einer Organisation beiträgt. Eine paradoxe Denkweise fördert die Ambiguitätstoleranz und schafft Raum für kreative Lösungen. Führung bedeutet in diesem Verständnis nicht, Widersprüche zu beseitigen, sondern sie als integralen Bestandteil organisationaler Realität anzuerkennen und zu gestalten.
Ein Beispiel aus der Führungspraxis verdeutlicht diese Perspektive:
Ein Unternehmen möchte strategische Zielklarheit sichern, gleichzeitig jedoch agile Strukturen fördern. Anstatt sich zwischen formaler Steuerung und Selbstorganisation zu entscheiden, führt es ein hybrides Modell ein. Es etabliert verbindliche Jahresziele (Stabilität), die über Objectives and Key Results (OKRs) in selbstorganisierten Teams bearbeitet werden (Autonomie). In regelmäßigen Workshops reflektieren die Führungskräfte, wie sie die damit verbundenen Spannungen erleben und handhaben.
Der entscheidende Perspektivwechsel liegt darin, Widersprüchlichkeit nicht als Defizit, sondern als Ressource zu begreifen. Organisationen, die lernen, mit Paradoxien zu arbeiten, anstatt sie zu vermeiden, entwickeln eine Kultur bewusster Ambivalenz und damit eine Grundlage für langfristige Anpassungs- und Lernfähigkeit.
Quelle:
Smith, W. K., & Lewis, M. W. (2011). Toward a theory of paradox: A dynamic equilibrium model of organizing. Academy of Management Review, 36(2), 381–403.